
Once upon a time, im Morgengrauen des 18. April 1906…
San Francisco war ein pochender Knotenpunkt aus Telegrafenleitungen, Hafenlärm und Goldrausch-Nachwehen. Eine Stadt, die vibrierte vor Energie, deren Straßenbahnen klangen wie Jazz auf Schienen, und in der sogar der Nebel Geschichten zu erzählen schien.
Und mittendrin – wie immer, wo Geschichte kurz davor war, sich selbst zu überschlagen – saß der Sahara Yeti. In einer schummrigen Eckkneipe an der Mission Street nippte er an einem Glas „Rusty Gold“, einer lokalen Whiskey-Spezialität mit einem Spritzer „Bergstaub“ – einer Substanz, über die niemand genau Bescheid wusste, aber alle wussten: Sie macht Gespräche flüssiger und Gedanken elastischer.
Um 5:12 Uhr begann der Boden zu tanzen.
Erst ein Zittern, dann ein Rollen, als würde die Erde selbst Schluckauf bekommen. Häuser stürzten ein, Gasleitungen explodierten, Menschen rannten in Nachthemden auf die Straßen, beteten, schrien, taumelten. Das Beben – eines der stärksten in der Geschichte der Vereinigten Staaten – zerriss die Stadt wie Pergament im Sturm.
Doch der Yeti? Der stand einfach auf, schloss die Tür hinter sich und murmelte:
„Ich glaub, Frisco hat die Schnauze voll von stillen Tönen.“
In den nächsten Tagen wurde er zur Legende.
Er zog Waisen aus eingestürzten Häusern, trug alte Damen über brodelnde Straßenspalten, baute provisorische Zelte aus Eisenbahndecken und telefonkabeln. In der völlig zerstörten Market Street verteilte er Zigaretten, die beruhigten, Schnäpse, die stärkten, und Blicke, die mehr sagten als Worte.
Im Golden Gate Park, wo sich Flüchtende in improvisierten Camps sammelten, errichtete der Yeti eine Art Krisenzentrum – bestehend aus einem Bollerwagen voller Konserven, einer zerbeulten Kaffeemaschine und einem Grammophon, das unermüdlich Ragtime spielte.
„Ihr habt den Boden verloren, aber nicht euren Takt“, sagte er zu einem Kind, das weinend neben den verkohlten Resten seines Hauses stand. Dann reichte er ihm eine kleine Mundharmonika.
„Blas rein, nicht zurück.“
Doch der Sahara Yeti war nicht nur Tröster. Er war auch Stratege.
In den Büroruinen der Versicherungsgesellschaften versorgte er Buchhalter mit Tinte, damit sie die Namen der Überlebenden notieren konnten. Er half Stadtplanern, auf einer riesigen Straßenkarte die neue Verteilung der Versorgungslinien zu skizzieren – mit einem glühenden Zigarrenstummel als Zeiger.
Und in den Nächten, wenn die Brände brüllten, saß er mit den Feuerwehrleuten an der Kante der Stadt und erzählte Geschichten aus Neapel 1835, London 1666, Tokio 1855 – Geschichten von Städten, die brannten, aber nicht zerbrachen.
Ein Gespräch mit dem Bürgermeister
Am vierten Tag kam der Bürgermeister zu ihm – abgekämpft, rußbedeckt, der Hut schief.
„Ich brauche was Starkes, Yeti.“
Der Yeti reichte ihm eine Flasche mit der Aufschrift „Klarblick 47%“.
„Und was soll ich tun?“
„Nicht alles wieder aufbauen. Nur das, was besser werden darf.“
Sie tranken. Und die Stadt veränderte sich.
Ein Abgang, wie man ihn kennt
Als nach Wochen der Wiederaufbau begann, die Zeitungen wieder druckten, und das Leben zurück auf die Bürgersteige kroch, da war der Yeti schon längst weg. Nur ein Satz war in Kohle an die Wand eines Zeltes geschrieben:
„San Francisco, du bist jetzt nicht mehr die Stadt, die du warst. Du bist besser. Du weißt es nur noch nicht.“